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Die Farben blau und gelb und das Wort Frieden (Peace), mehr braucht es in diesen Tagen nicht. Foto: Jörn Kerckhoff

«Jetzt ist alles anders»: Rheinfelden bekundet grenzüberschreitend Solidarität mit der Ukraine

«Noch vor einem Monat konnte ich in meiner Heimatstadt Odessa in Ruhe Spazierengehen. Jetzt ist alles anders. Noch vor einem Monat hatte ich gedacht, dass Russen und Ukrainer Brudervölker seien, jetzt ist alles anders. Noch vor einem Monat fanden im Stadion Fussballspiele statt, jetzt ist alles zerstört.» Volodymyr Yevsiejev ist mit seiner Familie aus der Ukraine geflohen. Während einer Kundgebung am Samstagnachmittag in Rheinfelden gegen den Krieg in der Ukraine gehörte er zu den Rednern. In wenigen Sätzen schilderte Yevsiejev, wie schlagartig sich das Leben in der prächtigen Hafenstadt am Schwarzen Meer verändert hat. Odessa ist berühmt für seine Prachtbauten aus dem 19. Jahrhundert und für den Primorskij-Boulevard, der direkt am Wasser verläuft. Der Krieg droht nun alles zu zerstören.

JÖRN KERCKHOFF

«Wir können uns etwas anderes gar nicht mehr vorstellen»
«Wenn wir uns hier auf der alten Rheinbrücke in Rheinfelden treffen, dann normalerweise, um grenzüberschreitend zu feiern – an Silvester, zur Fasnacht, zu den Brückensensationen und anderen Anlässen», erklärte Rheinfeldens Stadtammann Franco Mazzi während der Kundgebung beider Rheinfelden. Diesmal sei der Anlass jedoch keine Feier, sondern die Absicht, ein Zeichen für den Frieden in der Ukraine zu setzen. «Es ist eine humanitäre Katastrophe, die sich dort abspielt», so Mazzi. «Wir leben seit 1945 friedlich grenzüberschreitend zusammen und können uns etwas anderes gar nicht mehr vorstellen. Nun müssen wir ein Zeichen setzen, dass freie Nationen nicht von totalitären Systemen übernommen werden können.»

Hunderte Menschen waren zur alten Rheinbrücke gekommen, um gegen den Krieg und für den Frieden in der Ukraine zu demonstrieren. Foto: Jörn KerckhoffDer Krieg, der nicht Krieg genannt werden darf
Nach der Rede des Stadtammans schwiegen die Menschen, die sich am Brückenkopf auf deutscher Seite der Rheinbrücke versammelt hatten, für eine Minute, um den Opfern des Krieges zu gedenken, der in Russland nicht Krieg genannt werden darf. Eröffnet hatte die Kundgebung Karin Paulsen-Zenke, die dem Gemeinderat in Rheinfelden/Baden angehört. Auf ihre Initiative hin war die grenzüberschreitende Kundgebung zustandegekommen. Hunderte Menschen hatten sich an der Brücke versammelt, hielten Friedens- und Ukraine-Fahnen sowie Transparente in die Höhe, auf denen der Wunsch nach Frieden ausgedrückt wurde.
Die Rheinbrücke war in den Farben der Ukraine beflaggt worden. «500 Teilnehmer sind genehmigt, wir werden aber sicher niemanden ausschliessen, der an dieser Kundgebung teilnehmen will», erklärte Hauptkommissar Manfred Geiges, der als Einsatzleiter der Polizeikräfte agierte. Diese mussten aber nur den ein oder anderen Teilnehmer auf die Maskenpflicht aufmerksam machen, die in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz auch noch bei solchen Kundgebungen gilt.
Eine der Teilnehmerinnen war Jacqueline Hirschi. Mit einer kleinen Ukraine-Fahne stand sie inmitten der Menge. Sie habe Freunde, die aus der Ukraine stammen, erzählte die ehemalige Osteuropastudentin. Sie war selbst schon in der Ukraine und in Russland und ist überzeugt: «Das ist nicht der Krieg zweier Völker, sondern nur der von Putin.»

«Die Bombardierung wird damit nicht aufgehalten»
«Diese Brücke ist genau der richtige Ort, um ein Zeichen gegen diesen Krieg zu setzen», begann Karin Paulsen-Zenke ihre Rede. «Wir werden die Bombardierung der Städte damit nicht aufhalten, aber wir machen deutlich, dass dieser Krieg gegen die freiheitliche Grundordnung verstösst.»
«Es ist unfassbar, aber es ist Realität geworden», erklärte Klaus Eberhardt, Bürgermeister von Rheinfelden Baden. Ihm waren die Fassungslosigkeit und Wut anzumerken. «Die Drohungen mit Atombomben und die Lügen von russischer Seite sind nicht auszuhalten, dieser Krieg betrifft uns alle, denn es ist der Krieg zwischen zwei Welten, zwischen zwei Weltanschauungen. Dieser Krieg wird auch bei uns zu Einschränkungen führen, doch diese müssen wir in Kauf nehmen. Freiheit und Frieden haben kein Preisschild», appellierte Eberhardt an alle Teilnehmer und alle Menschen, die gerade in Frieden und Freiheit leben, nicht über steigende Preise und Engpässe zu klagen, sondern diese Folgen mitzutragen. Gleichzeitig sandte er ein Willkommen an alle Flüchtlinge, die eventuell aus der Ukraine nach Rheinfelden kommen werden. Franco Mazzi erklärte dazu noch, dass sich Menschen in der Schweiz, die bereit seien, Flüchtlinge bei sich zuhause aufzunehmen, über die Website der schweizerischen Flüchtlingshilfe https://www.fluechtlingshilfe.ch/ registrieren lassen können.

Nach dem Ende der Kundgebung bleibt die Hoffnung, dass nicht schon alles zu spät ist für den Frieden auf der Welt. Foto: Jörn KerckhoffResolution des Landtags ohne Stimmen der AfD
Als Gast war auch die Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg, Sabine Hartmann-Müller, anwesend. «Es sind Bilder die fassungslos machen, wenn eine blutüberströmte schwangere Frau aus der Geburtsklinik kommt, die kurz zuvor von der russischen Armee beschossen wurde. Das ist eine infame und bösartige Handhabe», prangerte Sabine Hartmann-Müller das Vorgehen des russischen Militärapparats an. Das Landesparlament von Baden-Württemberg hat daher vor einigen Tagen – ausser mit den Stimmen der AfD – eine Resolution zur Verurteilung des Krieges und zum Abzug der Truppen aus der Ukraine verabschiedet. Immer wieder wurden die einzelnen Reden vom Applaus der Kundgebungsteilnehmer unterbrochen.

Grosse Solidarität
Gross ist die Solidarität, Ideen, wie den Menschen, die aus der Ukraine flüchten, geholfen werden kann, gibt es viele. So etwa die von Michael Derrer und Atia Miraz, die in einem leerstehenden Ladenlokal in Rheinfelden/Schweiz eine «Feldküche» eröffnen wollen, wie Derrer es nennt. Eigentlich hätten sie dort ein Café eröffnen wollen, nun will die Künstlerin Atia Miraz in dem Lokal ukrainisch Kochen, Flüchtlinge aus der Ukraine sollen dann – möglichst ab Ende März – kostenlos essen können. «Finanzieren werden wir das wohl erst einmal aus eigener Tasche, über Unterstützung wären wir natürlich froh», erklärte Michael Derrer, der bereits die Initiative «Mehr Farbe für Rheinfelden» gegründet hat. So soll das Lokal auch «Mehr Farbe für die Ukraine» heissen. Derrer und Miraz hoffen auch auf Schweizer und deutsche Gäste, die ihr Essen natürlich bezahlen müssen und somit auch zur Finanzierung beitragen sollen.

Bilder: (1) Die Farben blau und gelb und das Wort Frieden (Peace), mehr braucht es in diesen Tagen nicht.
(2) Hunderte Menschen waren zur alten Rheinbrücke gekommen, um gegen den Krieg und für den Frieden in der Ukraine zu demonstrieren.
(3) Nach dem Ende der Kundgebung bleibt die Hoffnung, dass nicht schon alles zu spät ist für den Frieden auf der Welt. Fotos: Jörn Kerckhoff