Ein Produkt der  
Die grösste Wochenzeitung im Fricktal
fricktal info
Verlag: 
Mobus AG, 4332 Stein
  Inserate: 
Texte:
inserat@fricktal.info
redaktion@fricktal.info
Fricktalwetter
Ein paar Wolken
17.8 °C Luftfeuchtigkeit: 75%

Mittwoch
8.4 °C | 17.4 °C

Donnerstag
7 °C | 15.2 °C

Auf dem Bild zeigt Marc Deiss zwei der wichtigsten Karten seiner Sammlung: zwei Postkarten aus dem heimatlichen Oberzeihen mit den Hauptsehenswürdigkeiten, dem Gasthaus zum Ochsen und der Kapelle. Foto: Sonja Fasler

Das WhatsApp von damals: Marc Deiss sammelt alles über das alte Zeihen, vor allem Postkarten

Marc Deiss wohnt zwar seit zwölf Jahren in Bözen, sein Herz schlägt aber für Zeihen. Der 37-Jährige, der sich selbst als «Heimweh-Zeiher» bezeichnet, sammelt alles rund ums Dorf, vornehmlich vor 1950, und hat inzwischen eine beachtliche Sammlung an Postkarten, Zeitungsartikeln, Festführern und anderem mehr angelegt. Einen Teil davon wird er anlässlich des Museumstags der Kulturkommission am Sonntag, 30. Oktober, ausstellen.

SONJA FASLER HÜBNER

Es ist richtig heimelig in der kleinen Wohnküche mit dem Holzherd, der eine wohlige Wärme verbreitet. Auf dem Tisch hat der gelernte Maurer, der in einer Schinznacher Baufirma arbeitet, Bundesordner mit seinen fein säuberlich eingreihten «Schätzen» bereitgelegt.
«Ich sage immer, meine Hobbys sind Arbeiten und Postkarten-Sammeln», erklärt Marc Deiss lachend. Er sammelt vornehmlich Postkarten aus Zeihen, aber auch Besonderheiten aus umliegenden Dörfern des oberen Fricktals, und es sind auch einige aus dem unteren Fricktal dabei.

Postkarte, die am 4. März 1931 verschickt wurde, und eine alte Ansicht von Zeihen zeigt (oben) sowie die alte Pfarrkirche mit dem stattlichen Pfarrhaus (links) und die Innenansicht der Kirche. zVg aus der Sammlung von Marc DeissMit einem Zeitungsausschnitt fing alles an
Sein Interesse für die alten Ansichten von Zeihen weckte vor Jahren seine inzwischen verstorbene Grossmutter, als sie ihm einen Zeitungsausschnitt von der Sprengung des alten Kirchturms im Jahre 1965 zeigte. «Ich wollte wissen, wie die alte Kirche aussah und was es mit der Geschichte dahinter auf sich hatte», sagt Marc Deiss, der in Oberzeihen aufgewachsen ist, wo seine Eltern und sein Bruder jetzt noch wohnen. Da der Zeitungsausschnitt nicht mehr vollständig war, machte er sich auf die Suche nach dem ganzen Bericht und wurde schliesslich beim Kantonsarchiv fündig. Er findet es traurig, dass vom alten Zeiher Dorfkern kaum mehr etwas übriggeblieben ist.

Das Whatsapp von damals
Die älteste Postkarte in der Sammlung aus dem Jahr 1877.  zVg aus der Sammlung von Marc DeissDie älteste Postkarte seiner Sammlung stammt aus dem Jahr 1877, damals noch eine einfache Karte ohne Bild und mit einer Schrift, die sich nur schwerlich entziffern lässt. Ein besonderes Stück ist auch die Postkarte vom 4. März 1931, welche eine Ansicht von Zeihen und die alte Pfarrkirche von aussen und innen zeigt. Die Karte war von einer Frau namens Rosa an ihre Mutter, eine Frau Buol-Schmid in Rorschacherberg, gerichtet. Sie bedankt sich für ein Paket, erzählt von Schnee, der gefallen sei, und von Neuigkeiten aus der Familie. Alltäglichkeiten eben, die man heute ganz einfach kurz per Telefon oder mittlerweile noch üblicher per Whatsapp austauscht. Damals musste es über den Postweg geschehen und es dauerte Tage mit dem Hin- und Herschreiben.

«Von Zeihen gibt es relativ wenige Postkarten», weiss Marc Deiss. Das liege wohl daran, dass Zeihen kein Durchgangsort war und keinen Bahnhof besass. «Von Herznach oder Hornussen gibt es viel mehr.» Er besitzt auch einige Kuriosiäten, etwa eine Postkarte, die verschiedene Bilder eines schweren Verkehrsunfalls vom 4. September 1930 in Effingen zeigt. Ein Chauffeur des Circus Sarrasani verunglückte tödlich, als er mit einem Zirkuswagen gegen die Mauer des Restaurants Rebstock prallte. Auch ein kleinwüchsiger Mann aus Alles andere als nur «Postkarten-Motive»: Auch ein Verkehrsunfall in Effingen im Jahr 1930 wurde als Collage zu einer Postkarte gestaltet. zVg aus der Sammlung von Marc DeissIttenthal, «Peter Näf, kleinster Kellner der Welt, 95 cm hoch und 42 Pfund schwer, geboren 1880 in Ittenthal», diente als Postkartenmotiv. Voyeurismus gab es also auch schon damals. Mit dem Aufkommen des Telefons in den Haushaltungen ging die Produktion der Postkarten rapide zurück.

Marc Deiss ist allerdings bewusst: «In der Sammlerszene bin ich ein kleiner Fisch.» Die wirklich «Angefressenen» kaufen bei Haushaltsauflösungen den ganzen Hausrat auf, um an die begehrten Stücke zu kommen. So gibt es richtige Sammlerbörsen. Das meiste laufe heute übers Internet, weiss Marc Deiss. Viele seiner Postkarten hat er dort ersteigert. Eine Zeiher Postkarte vom 13. Oktober 1901 fand er sogar bei einem Berliner Sammler. In Sammlerkreisen sei Vorauszahlung üblich, aber das habe bisher immer bestens geklappt. 150 Franken für eine Rarität hinzublättern sei keine Seltenheit. Für eine Karte von Oberzeihen zahlte er 304 Franken. Aber damit sei seine Schmerzgrenze auch erreicht, und diese Karte habe er nun einmal unbedingt haben wollen, weil es nur deren zwei von Oberzeihen gebe. Und diese hat er nun beide. «Wenn ich eine Postkarte sehe, die ich unbedingt haben will, kribbelt es richtig in mir», sagt Marc Deiss schmunzelnd. «Aber ich muss nicht jede haben.» Bis auf seine Sammelleidenschaft sei er eher ein bescheidener Typ, sagt Marc Deiss über sich selbst. Bis auf die Ferien, die er vor Jahren in Kuba verbrachte, leiste er sich sonst keinen Luxus. Er sei fasziniert von den Menschen dort und ihrer Mentalität. «Die Leute haben wenig Besitz und sind trotzdem zufrieden.»

Postkarten vom «Sonnenhof», der «Eintracht» und vom Krämerladen fehlen noch
Was fehlt ihm eigentlich noch in der Sammlung? Eine Postkarte vom «Sonnenhof» auf der Buchmatt sucher er noch. Der Hof mit Restaurant brannte am 8. November 1900 nieder und wurde nicht mehr aufgebaut. «Ich bot einmal mit, aber irgendwann wurde mir die Postkarte dann doch zu teuer», sagt er bedauernd. Eine Postkarte aus dem Jahr 1910 vom Restaurant «Eintracht» fehlt ihm auch noch. Auch dieses Wirtshaus mitten im Dorf brannte – Anfang der 1930er-Jahre – nieder. Später wurde dort das Restaurant «Frohsinn» gebaut. Und er ist auch noch auf der Suche nach einer Postkarte von der heutigen «Auberge Passepartout». Dort befand sich bis in die 1930er-Jahre ein Krämerladen, die «Speisewirtschaft und Spezereihandlung von Frau Wwe E. Hossli».

Ein Sammlertyp
Grundsätzlich interessiert sich der gebürtige Oberzeiher für alle alten Dinge. Eine Zeit lang sammelte er antike Waffen und Messer. Zurzeit restauriert er mit Hilfe eines Kollegen einen alten Einachser, der zuletzt 1963 eingelöst war. Er fand ihn unter einem Gestrüpp und konnte ihn übernehmen wie er war, ziemlich verrostet und mit morscher Ladefläche. Zum Glück könne er das bei seinen Eltern machen, wo er auch seine diversen Schätze lagert. «In meiner Zweieinhalbzimmer-Wohnung wäre nicht Platz für alles», gesteht er.
Auch Geschichten von früher, die Herkunft von Nachnamen und alte Spitznamen findet der Sammler spannend. Er selber hat auch einen, verrät er schmunzelnd: «Röti-Prinz». Lachend erzählt er, wie es dazu kam: «Als Knirps wollte ich nicht in den Kindergarten gehen sondern lieber Zuhause bleiben. So musste mich meine Mutter mit dem Auto, einem Mercedes, ins Dorf fahren.» Einem Passanten fiel auf, wie klein Marc auf dem Rücksitz sass und eifrig winkte. Und schon war der Name gesetzt. Mit Adel und blauem Blut hat er also nichts zu tun. Marc Deiss nimmt dies wie vieles andere auch mit Humor Aber er hat auch eine nachdenkliche Seite. So schaut er zwar gerne seine Postkartensammlung an, in den eigenen Familienalben blättert er ungerne. «Das macht mich irgendwie sentimental», verrät er, setzt aber schon wieder lachend hinzu: «Hätte ich eine Freundin, würde ich wohl nicht so viel Zeit in meine Sammelleidenschaft investieren.»

Museumstag
Sonntag, 30. Oktober
Im Rahmen von «Museum attraktiv: Chum und lueg» der Kulturkommission im Dorfmuseum Zeihen (Untergeschoss des Gemeindehauses).
Geöffnet von 13 bis 16.30 Uhr
Gezeigt werden alte Postkarten und Raritäten von Marc Deiss und Elisabeth Glaser, Fotoalben zum herumstöbern sowie «Baumhausen», ein Projekt der 5.- und 6.-Klässler der Schule Zeihen.
Bastelangebot für die Kinder.
Museumsbeizli mit Kaffee, Kuchen und diversen Getränken.

Bilder (von oben nach unten):
- Auf dem Bild zeigt Marc Deiss zwei der wichtigsten Karten seiner Sammlung: zwei Postkarten aus dem heimatlichen Oberzeihen mit den Hauptsehenswürdigkeiten, dem Gasthaus zum Ochsen und der Kapelle. Foto: Sonja Fasler
- Postkarte, die am 4. März 1931 verschickt wurde, und eine alte Ansicht von Zeihen zeigt (oben) sowie die alte Pfarrkirche mit dem stattlichen Pfarrhaus (links) und die Innenansicht der Kirche. zVg aus der Sammlung von Marc Deiss
- Die älteste Postkarte in der Sammlung aus dem Jahr 1877.  zVg aus der Sammlung von Marc Deiss
- Alles andere als nur «Postkarten-Motive»: Auch ein Verkehrsunfall in Effingen im Jahr 1930 wurde als Collage zu einer Postkarte gestaltet.
zVg aus der Sammlung von Marc Deiss