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Jean-Pierre Binkert, links, hatte Tony Schmid zur Bundesfeier nach Zuzgen eingeladen. Foto: Peter Schütz

«Sicherheit ist nicht selbstverständllich» – Ein Berner Oberländer hielt die Festrede an der Bundesfeier in Zuzgen

Ein Berner Oberländer, der im Kanton Zürich wohnt, im Waadtland arbeitet und im Kanton Aargau eine Festrede zum 730. Geburtstag der Eidgenossenschaft hält – kann das gut gehen? Es kann, wie Tony Schmid vergangenen Samstag anlässlich der Bundesfeier in Zuzgen vorgemacht hat. «Das ist wahre gelebte Eidgenossenschaft», erklärte der Kommandant der Luftwaffenoffiziersschule in Payerne.

PETER SCHÜTZ

Schmid ist der Einladung der Männerriege Zuzgen, beziehungsweise von deren Mitglied Jean-Pierre Binkert gefolgt. Die Beiden verbindet eine berufliche Zusammenarbeit vor einigen Jahren, sie kennen sich aus dem Militärdienst. Tony Schmid war am Samstag zum ersten Mal in Zuzgen zu Gast, den Kanton Aargau hat er jedoch vor über 30 Jahren kennen gelernt, als er seiner Pflicht als Milizsoldat nachkam. Als «urchiger Bärner Oberländer» sei er davon ausgegangen, dass nach Bern bis an die Landesgrenze von Basel alles flach sei. «Doch als ich dann als Zugführer meinen ersten Wiederholungskurs in dieser Region machte, war mir klar, da gibt’s auch noch ‹Höger› und Kleinberge nach dem Belchentunnel, Hauenstein, Hulftegg bis ins schöne Fricktal», so Schmid. Zur Vorbereitung der Bundesfeier in Zuzgen habe er die Klischees der Aargauer im Internet konsultiert. Ergebnis: «Aargauer sind schreckliche Autofahrer; alle Aargauer tragen weisse Socken, immer; ausser Rüebli gibt's hier nicht viel; der Aargau ist ein Autobahnkanton; alle Aargauer sind furchtbare Bünzli mit Gartenzwergen und gepflegtem Eigenheim.»

Tony Schmid, Kommandant der Luftwaffenoffiziersschule Payerne, anlässlich seiner Festrede in Zuzgen.  Foto: Peter SchützEin «funktionierender Staat»
Den Beweis oder Gegenbeweis erbrachte er dann nicht, weil seine Rede ein anderes Thema hatte: Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. «Ich bin überzeugt, dass das, was wir haben, über Jahre aufgebaut und täglich bewahren, uns lieb ist. Man sucht das, was man hat, zu beschützen und will nicht, dass wir etwas vom Wohlstand, den unsere Vorfahren aufgebaut haben, durch Dritte verwaltet oder bewirtschaftet wird. Wir tun gut daran, das auch so in unseren Händen zu lassen. Gerade die letzten 18 Monate haben gezeigt, wie gut es ist, auf einen funktionierenden Staat zurückzugreifen. Auch wenn man im Rückblick vielleicht das Eine oder Andere besser gemacht haben könnte, mit dem Wissen was aktuell zur Verfügung stand, hat man das Beste daraus gemacht. Die Historiker mit dem Rückspiegel können immer ein Haar in der Suppe finden, welches nicht dahin gehört. Doch die Zukunft kennt keiner von uns», so Schmid.
Mit Blick auf die Corona-Krise hielt er fest: «Ich bin überzeugt, dass wir in den Gemeinden, Kantonen, aber auch auf Stufe Bund über Einrichtungen verfügen müssen, wo wir selbstständig rasch, nachhaltig und effizient eingreifen können. Sicherheit um das Einfamilienhaus, Sicherheit im Gesundheitswesen, Sicherheit auf den Verbindungsachsen für Zulieferer, Sicherheit in der Energieversorgung, ein 24-Stunden funktionierendes Notfalltelefon, keine unbekannten Flugobjekte, welche den Schweizer Luftraum befahren – kurz und gut: Sicherheit im Alltag ist keine Selbstverständlichkeit.»

«Sind wir stolz auf das, was wir haben»
icherheit am Boden wie in der Luft seien zentral. Was darf es kosten? Wer ist bereit mitzumachen? «Jeder Zuzger und jede Zuzgerin soll sich die Frage selber stellen und die Antworten daraus ableiten», bemerkte Schmid. Sein Appell: «Sind wir stolz auf das, was wir haben, bewahren wir das, was wir erschaffen haben, aber denkt daran, Sicherheit und Eigenständigkeit zum Nulltarif ist nicht zu haben. Leisten wir alle einen Beitrag für unsere Nachkommen, und zwar jetzt und heute, nehmen Sie Teil an der Urne, entscheiden Sie als Bürger – oder noch besser: Machen Sie einfach aktiv mit.»
Am Ende seiner Rede fasste Tony Schmid mit einem Augenzwinkern zusammen: «Sicherheit ist mehr als nur ein Gartenzwerg in weissen Socken, welcher über die Autobahnen in ein Feld voller Rüebli fährt und dabei noch das Einfamilienhaus eines Bünzli im Aargau erwischt.» Trotz des ernsthaften Aspekts seiner Rede hatte er damit die Lacher auf seiner Seite.

Bilder:
Jean-Pierre Binkert, links, hatte Tony Schmid zur Bundesfeier nach Zuzgen eingeladen.
Tony Schmid, Kommandant der Luftwaffenoffiziersschule Payerne, anlässlich seiner Festrede in Zuzgen.
Fotos: Peter Schütz

Die Rede von Tony Schmid im Wortlaut:

Wangen bei Brüttisellen, 31.07.2021
Bundesfeier in Zuzgen: Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit!
Sehr geehrter Herr Gemeindeammann
Sehr geehrte Gemeinderäte und Behördenmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren der Gemeinde Zuzgen, liebe Gäste.
Ein wohnhafter Zürcher im Aargau? Ein Berner der im Kanton Zürich Wohnt und im Waadtland arbeitet und jetzt im Kanton Aargau den Geburtstag der Eidgenossenschaft zelebrieren darf? Das meine Damen und Herren ist eben wahre gelebte Eidgenossenschaft.
Werte Bürgerinnen und Bürger von Zuzgen. Mit grosser Freude darf ich heute bei Ihnen sein und ich habe die Einladung von der Männerriege bzw von Jean-Pierre Binkert – mit dem ich beruflich vor Jahren zusammenarbeiten durfte, gerne angenommen.
Viele Erinnerungen werden wach in dieser Region. Erinnerungen vor allem aus meiner Pflicht als Milizsoldat vor über 30 Jahren. Als "urchiger Bärner" Oberländer ging ich vor 30 Jahren davon aus, dass nach Bern bis an die Landesgrenze von Basel alles flach ist. Noch ohne Internet und Social-Medias konnte man sich die Gegend nicht vorstellen. Doch als ich dann als Zugführer meinen ersten Wiederholungskurs in dieser Region machen musste, war mir klar, da gibt’s auch noch Höger und Kleinberge nach dem Belchen Tunnel, Hauenstein, Hulftegg bis ins schöne Frick Tal gibt.
Ja da bin ich nun: als Vorbereitung habe ich natürlich die Klischees der Aargauer im Internet konsultiert und siehe da, 5 Treffer: 1. Aargauer sind schreckliche Autofahrer! 2. Alle Aargauer tragen weisse Socken, immer! 3. Ausser Rüebli gibt's hier nicht viel! 4. Der Aargau ist ein Autobahnkanton! 5. Alle Aargauer sind furchtbare Bünzli mit Gartenzwergen und gepflegtem Eigenheim.
Ich möchte mich jedoch nicht mit Ihnen anlegen heute Abend um den Beweis oder den Gegenbeweis zu begründen, sondern als Berner, könnte das ja ewig gehen, denn als langsame, naive, ruhige und "äuä
Sager" wären wir bis zum entfachen des 1. August Feuers immer noch nicht fertig.
Von Berufswegen, befasse ich mich seit über 30. Jahren mit der Sicherheit unseres Landes. Als Kdt der Luftwaffenoffiziersschule ist es nicht nur die 3.Dimension in welcher in den letzten Monaten politisch diskutiert wurde, sondern es auch darum den 1/3 in der Schweiz welche nicht zum Gebirge gehört, also da wo rund 90 % der Einwohner der Schweiz sich aufhalten und leben, sicherheitspolitisch zu beleuchten.
Wenn ich die Gemeinde "Zuzgen" im Internet aufrufe, so steht da unter den meist gesuchten Begriffen: "Notfalltreffpunkt" als erstes Schlag- und Suchwort! Nun weiss ich aber nicht ob es eben doch mit dem Klischee "schlechte Autofahrer" zu tun hat oder ob es wirklich um die Sicherheit im Dorfe geht! (Spass)
Ich bin überzeugt, dass da was wir haben, über Jahre aufgebaut und täglich bewahren uns lieb ist. Man sucht das was man hat, zu beschützen und will nicht, dass wir etwas vom "Wohlstand" den unsere Vorfahren aufgebaut haben durch Dritte verwaltet oder bewirtschaftet wird.
Wir selben tun gut daran das auch so in unseren Händen zu lassen. Gerade die letzten 18 Monate haben gezeigt wie gut es ist, auf einen funktionierenden Staat zurückzugreifen. Auch wenn man im Rückblick vielleicht das Eine oder Andere besser gemacht haben könnte, mit dem Wissen was aktuell zur Verfügung stand, hat man das Beste daraus gemacht. Die Historiker mit dem Rückspiegel können immer ein Haar in der Suppe finden, welches nicht dahin gehört. Doch die Zukunft kennt keiner von uns. Sie und ich haben gelernt in Zeiten der Unsicherheit zu leben. Für alles was kommen wird, sind wir versichert oder wir meinen es zumindest. In Krisen – wie dieses Virus - welche die ganze Welt lahmgelegt hat, versucht man zuerst selbst sich zu behaupten. In Friedenszeiten oder bei schönen Wetter ist man bereit sich beizustehen, jedoch wenn die Grenzen dann geschlossen werden, dann wird es schwierig. Zurückgehaltene Schutzmasken an der Schweizer Grenze durch unsere Nachbarn ist nur ein Beispiel davon wie es gehen kann, wenn man zuerst das eigene Volk und Territorium versorgt.
Daher bin ich überzeugt, dass wir auch in den Gemeinden, Kantonen aber auch auf Stufe Bund über Einrichtungen verfügen müssen, wo wir selbständig rasch, nachhaltig und effizient eingreifen können.
Sicherheit um das Einfamilienhaus, Sicherheit im Gesundheitswesen, Sicherheit auf den Verbindungsachsen für Zulieferer, Sicherheit in der Energieversorgung, einen 24 h funktionierendes Notfalltelefon, keine unbekannten Flugobjekte welche den Schweizer Luftraum befahren- kurz und gut = Sicherheit im Alltag ist keine Selbstverständlichkeit.
Und was leisten und bieten Sie als Beitrag zur Sicherheit? Wenn ich das Schlagwort "Notfalltreffpunkt" in Ihrer Gemeinde beleuchte, dann erwartet jeder und jede EinwohnerIn dass jemand da ist, wenn man dort hingeht. Die Hoffnung – mir wird geholfen – steht im Vordergrund. Viele Zunzger-Innen sind im Nebenamt bereit bei unvorsehbaren Ereignissen zu unterstützen und zu helfen. Milizmässig organisiert und Tag und Nacht verfügbar. Ein System worum wir im Ausland benieden werden. Sollten die Ressourcen nicht ausreichen, stehen dann noch Mittel auf Stufe Kanton zur Verfügung, wie zum Beispiel der Zivilschutz. Schnell und unkompliziert… und sollten alle Stricke reissen, haben wir auf Stufe Bund noch die Armee zur Verfügung welche effizient und mit Mannes- und Frauenkraft innert Stunden zur Verfügung steht. Wie zuletzt vor einem Monat in Cressier NE nach den Unwetterschäden standen innerhalb 24 h rund 500 Angehörige des Genies Bat 6 im Einsatz.
Tue Gutes und sprich darüber, das versuchen wir, doch vergessen wir auch wieder schnell.
Sicherheit am Boden wie in der Luft sind zentral. Was darf es kosten? Wer ist bereit mitzumachen? Fragen welche ich hier nicht beantworten werde. Jeder Zuzger und jede Zuzgerin soll sich die Frage selber stellen und die Antworten daraus ableiten.
Sind wir stolz auf das wir haben, bewahren wir das was wir erschaffen haben, aber denkt daran, Sicherheit und Eigenständigkeit zum Nulltarif ist nicht zu haben. Leisten wir alle einen Beitrag für unsere Nachkommen, und zwar jetzt und heute, nehmen Sie Teil an der Urne – entscheiden Sie als Bürger – oder noch besser machen Sie einfach aktiv mit! Ich wünsche uns allen eine Sichere Zeit und lassen Sie die 730-jährige Eidgenossenschaft weiter in Frieden und Sicherheit bestehen.
Ich fasse zusammen:
"Sicherheit ist mehr als nur ein Gartenzwerg in weissen Socken, welcher über die Autobahnen in ein Feld voller Rüebli fährt und dabei noch das Einfamilienhaus eines Bünzli im Aargau erwischt".
Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche allen noch ein schönes 1. August Fest.