«Durch das Dunkel ins Licht» – Kar- und Ostertagein der ref. Kirchgemeinde Rheinfelden
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(fia) Die Kar- und Ostertage hat die reformierte Kirchgemeinde Region Rheinfelden gemeinsam an verschiedenen Standorten – in Magden, Rheinfelden und Kaiseraugst – begangen. Das übergreifende Thema war: «Durch das Dunkel ins Licht».
Der Weg begann an Gründonnerstag vor dem Kirchgemeindehaus „Gässli“ in Magden an einem Feuer, welches das Licht des auferstandenen Christus symbolisierte, aber auch an jene Szene erinnerte, wo Petrus, an einem Feuer stehend, Jesus dreimal verleugnete. In der Einleitung wiesen Pfarrerin Stefanie Schmid und Sozialdiakonin Sandra Buser darauf hin, dass zum Gründonnerstag die Einsetzung des Abendmahls und das einsame Gebet Jesu im Garten Gethsemane gehören. Die beiden Elemente waren auch für den Gottesdienst konstitutiv: Zunächst wurde Abendmahl gefeiert und Znacht gegessen, dann gab es eine offene Phase, in der die Teilnehmenden ihren eigenen Gedanken nachgehen konnten. Dafür standen in den Räumen des Kirchgemeindehauses verschiedene Stationen zur Verfügung, zum Beispiel: Kerzen anzünden, an einer Klagemauer Sorgen und Nöte auf Zettel notieren, die später dem Osterfeuer übergeben wurden, Gott einen Brief schreiben, der einem ein halbes Jahr später zugestellt wird, durch ein Labyrinth gehen. Die Feier endete spätabends mit einem Segen am Feuer.
Kunst an Karfreitag An Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung, bezog sich Pfarrer Klaus-Christian Hirte in seiner Predigt auf die „Weisse Kreuzigung“ des jüdischen Malers Marc Chagall (1887–1985). Hirte wies darauf hin, dass das berühmte Werk 1938 gemalt wurde, dem Jahr der Reichspogromnacht; die Verwüstung zeigt sich in verschiedenen Szenen auf dem Gemälde, zum Beispiel: „Ein SA- oder SS-Mann in brauner Uniform wirft das Inventar aus der Synagoge. Unter ihr flieht ein älterer Jude durch den Rauch, der von einer qualmenden Thora-Rolle aufsteigt. Über dem Kreuz die Urväter Abraham, Isaak und Jakob sowie Rahel; sie klagen und weinen über die Schoa. Einzig der Kerzenschein der Menora unter dem verstorbenen Jesus strahlt etwas Hoffnung aus. Ein Osterlicht inmitten von Kreuz und Leiden!“ Die Botschaft des Bildes, sagte Hirte, sei eine doppelte: „Den Christen sagt es: Euer Jesus ist der König der Juden, den ihr – die Christen! – verfolgt. Den Juden sagt es: Dieser Jesus am Kreuz ist der ‚leidende Gottesknecht‘, von dem Jesaja sprach (Kapitel 53).“ Insgesamt zeige das Bild einen leidenden, mit-leidenden Gott, dessen Stärke sich darin offenbart, dass er den Schwachen nahe ist.
Auch Pfarrer Andreas Fischer, im Karfreitagsgottesdienst in Kaiseraugst, nahm Bezug auf ein Kreuzgemälde. Im Kirchenraum hing während der Passionszeit ein überdimensioniertes Kruzifix, gemalt vom Art-brut-Künstler Silvain Bouillard. Es besteht aus tausenden Kringeln. Er hat sie in stundenlanger Arbeit, oft auf den Knien, gemalt. Anders als die üblichen Kruzifixe wirkt das Gemälde nicht qualvoll. Es gibt darin sogar humoristische Elemente, etwa die bunte Schlange, die mitten durchs Bild kriecht, und die ebenfalls bunten Paradiesfrüchte. „Schlange und Früchte“, sagte Fischer, „symbolisieren den Sündenfall, die Ur-Trennung, die Entfremdung von Gott. Sie ist aufgehoben im Gekreuzigten, in dem Gott selber hinabsteigt bis in die tiefsten Tiefen des Menschseins.“
Erlösende Tränen Die Osternachtfeier am Samstagabend begann wieder am Feuer vor dem Kirchgemeindehaus „Gässli“ in Magden. Stefanie Schmid betonte, dass es noch dunkel sei. Es gelte, gemeinsam mit Petrus ins eigene Dunkel zu schauen. Dieses Dunkel zeige sich „in drei Dimensionen des Lebens: Ohnmacht, Scheitern, Reue“. Mittels meditativen Texten, Stille und einem sich wiederholenden „Kyrie eleison“-Liedruf führte Schmid hinein in diese dunklen Aspekte der menschlichen Existenz. Dann erinnerte sie daran, dass Petrus, nachdem er Jesus dreimal verleugnet hatte, hinausging und „bitterlich weinte“ (Matthäusevangelium 26, 75). Diese Tränen haben lösende, erlösende Wirkung. Wiederum wurde den Teilnehmenden Raum gegeben, sich den je eigenen Tränen zuzuwenden. Die Meditation endete mit den Worten: „Die Tränen der Enttäuschung, die Tränen der Wut, die Tränen der Verzweiflung, die Tränen der Reue und die Tränen der Wehmut – alle diese Tränen ‚wird Gott abwischen von unseren Augen‘ (Offenbarung 21, 4), nur nicht: die Tränen der Freude.“
In der Auferstehungsfeier morgens um 6 Uhr im Kirchgemeindehaus Kaiseraugst nahm Andreas Fischer noch einmal Bezug auf den Art-brut-Künstler Sylvain Bouillard. Er ging aus von der merkwürdigen Aufforderung des Engels an die Frauen beim leeren Grab: Sie sollen nach Galiläa gehen, dort werden sie den Auferstandenen sehen (Markusevangelium 16, 7). Was die Chiffre „Galiläa“ bedeutet, erläuterte Fischer so: „Galiläa, aus der Perspektive Jerusalems, ist das Niemandsland im Norden. Galiläa, nicht Jerusalem, der Rand, nicht das Zentrum ist also der Ort, wo der Auferstandene erscheint. Von dort her taucht das Licht auf.“ Dieser Gedanke, fuhr Fischer fort, passe zur Art brut, zur rohen, naiven Kunst des bewusst am Rand der Gesellschaft lebenden Sylvain Bouillard: „Es ist, mit dem Evangelium gesagt, Kunst, die in ‚Galiläa‘ – das heisst: am Rand – entsteht. Dort, wo wir einst den Auferstandenen sehen werden.“
Das Bekenntnis einer Mutter Den Abschluss des Wegs durch die Kar- und Ostertage gestaltete Pfarrer Leszek Ruszkowski in Rheinfelden. In seiner Predigt, die gerade für die vielen Menschen der Moderne, denen der Auferstehungsglaube fremd geworden ist, interessant sein dürfte, erläuterte Ruszkowski, wie dieser Auferstehungsglaube einst mitten in der Hölle von Tod und Verfolgung geboren wurde: Im Jahr 175 v.Chr. kam es zum Aufstand der Makkabäer gegen die Auflösung der jüdischen Kultur und Religion im Hellenismus. Junge jüdische Männer wurden zu Tausenden ermordet. In jener Zeit brachte eine Mutter, die beim Aufstand alle ihre sieben Söhne verloren hatte, ihre Hoffnung trotz aller Verzweiflung mit dem Bekenntnis zum Ausdruck: Der Gott, der die Kinder im Mutterleib hat entstehen lassen, wird ihnen nach ihrem gewaltsamen Tod Leben und Atem wiedergeben! (2. Makkabäerbuch 7,22-23) In diesem historischen Moment, betonte Ruszkowski, ist der Auferstehungsglaube entstanden, nicht am pastoralen Schreibtisch. Die Predigt endete mit den Worten: „Kenne ich die Fragen, die die Hölle aufwirft? Eine vom Evangelium inspirierte Antwort pulsiert mit einem trotzigen ‚Trotzdem‘, mit einer unerklärlichen Hoffnung trotz allem.“
Bild: Thema an den Kar- und Ostertagen war «Durch das Dunkel ins Licht». Foto: zVg