Ein Produkt der  
Die grösste Wochenzeitung im Fricktal
fricktal info
Verlag: 
Mobus AG, 4332 Stein
  Inserate: 
Texte:
inserat@fricktal.info
redaktion@fricktal.info
19.61°C

Fricktalwetter

leichter Regen Luftfeuchtigkeit: 95%
Mittwoch
13.5°C | 25.3°C
Donnerstag
15.4°C | 29.1°C
Obermumpf: Kunst aus Korken und Kapseln
Featured

Obermumpf: Kunst aus Korken und Kapseln

Therese Lanter ist Künstlerin, das kann man mit Fug und Recht behaupten. Was sie aus Korken und Kaffeekapseln erschafft, ist gross und verlangt nach Vorstellungsvermögen, Geduld und vor allem Talent. Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, wenn es nicht diesen einen Schicksalsschlag gegeben hätte, der ihre Pläne durchkreuzte und ihr Berufsleben und ihre Freizeitpläne abrupt beendete.


ANDREA WORTHMANN

Steht man vor dem Haus von Therese Lanter, fällt sofort das Garagentor auf, auf dem das Bild eines alten Postautos zu sehen ist. Je weiter man weggeht, desto klarer werden die Konturen, denn das Bild besteht komplett aus Kaffeekapseln und entstand aus einer spontanen Idee heraus. Davon später mehr.
Bild 31969 geboren und in Fislisbach aufgewachsen, kam Therese Lanter schon früh mit Kreativität in Berührung. In der Familie wurde viel gebastelt und die kleinen Kunstwerke an Märkten verkauft. Natur, Mitmenschen und «anderen eine Freude machen» hatten einen hohen Stellenwert in der Familie und prägen die Künstlerin bis heute. Nach der Schulzeit standen ihr Beruf bei der Post und der Sport imMittelpunkt ihres Lebens. Sie fuhr Langdistanz Radrennen und hatte damals den 24-Stunden-Weltrekord inne (705 Kilometer in 24 Stunden). Da war sie 28 Jahre alt.

Ein Unfall änderte alles
Bei einem Training wurde sie dann von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Kopfverletzungen und gebrochene Rückenwirbel waren das Ergebnis und ihre Leben von dort an ein anderes.
Sport war vorerst nicht mehr möglich, ihrem geliebten Beruf konnte Lanter nicht mehr nachgehen. Stattdessen Therapie, Schwindel ,ein ständiger Nebel im Kopf, Vergesslichkeit. Unverzichtbar sei damals auch die Hilfe ihres Mannes gewesen, betont Lanter, der sie in jeglicher Form unterstützte und auch heute noch unterstützend an ihrer Seite steht. Sie musste vieles neu erlernen. Ein Jahr nach dem Unfall probierte sie es auf Anraten des Arztes tatsächlich noch einmal mit Radfahren. Zu allem Unglück (oder Glück) hatte sie erneut einen Unfall und der hatte sogar eine positive Seite: «Es war, als hätte sich etwas gelöst. Ich hatte keinen ständigen Schwindel mehr, musste nicht mehr ständig balancieren beim Gehen, mir.» Was dennoch blieb, war die Müdigkeit, die Vergesslichkeit, situativer Schwindel und als Konsequenz der Verzicht auf Kinder. Ein herber Schlag. Auch wenn sie heute sagt, es gehe ihr besser, ist es relativ und nicht zu vergleichen mit einer gesunden Person, betont sie.Bild 4

Vom Basteln zur Kunst
In der Reha kam Lanter dann zufällig zu einem Bastelbuch und ihr kamen die Erinnerungen wieder hoch, wie sehr sie es als Kind gemocht hatte, zu basteln. Sie besorgte sich die Bastelutensilien und legte los. Das Basteln wurde zur jahrelangen Therapie. Sie begann dann für ihre Schwester, die ein paar Jahre später ein Restaurant im Elsass eröffnete, die Dekoration zum machen. Alles selbst gebastelt, versteht sich. «Für mich war es am Anfang Basteln und Therapie gleichzeitig. Ich konnte es nur machen, wenn es mir gut ging», erinnert sich die heute 54-Jährige. Teilweise bastelte sie in schlaflosen Nächten und schlief am Tag, so, wie es ihr Körper zuliess.

Als Künstlerin sah sich Lanter lange Zeit nicht. Erst vor vier Jahren, als sie ihrem Bruder ein Korkbild machte, auf dem er erkennbar war, akzeptierte sie diese Bezeichnung langsam. «Um Korkbilder zu machen, bedarf es Ausdauer und Geduld», erklärt sie. Hilfestellung bekommt sie am Computer, durch Photoshop und ganz viel Ausprobieren mit hellen und dunklen Schattierungen.Bild 2

Riesige Sammlung von Kaffeekapseln und Korken
Zuerst aber waren da andere Bilder und auch Schmuck. In ihrem Haus hat Therese Lanter eine ansehnliche Sammlung an Materialien. Teils übernommen, teils geschenkt bekommen, teils selber über Jahre gesammelt. Kaffeekapseln in Rot, Gelb, Grün und Blau. Gestreift, schattiert, gemustert. Jede Sonderedition, jede noch so besondere Ausführung ist im «Bastelraum» von Therese Lanter zu entdecken. «Die Gemusterten sehen – je nach Pressung – auch im Endergebnis noch anders aus», erklärt die Obermumpferin und zeigt auf die verschiedenen Möglichkeiten der Pressung. Aufgereiht in Schubladen, sortiert nach Farben, gereinigt und versorgt. Als ihr Mann ihr eine Kaffeemaschine schenkte, auf der das Bild eines alten Postautos zu sehen war, inspirierte sie dieses zum «Nachbasteln» aus Kaffeekapseln. Heute ist dies am Garagentor zu bewundern.Aus den Kaffeekapseln entstehen Bilder. Pixelbilder, wie Lanter sie nennt. Das Bild am Garagentor ist austauschbar – eine Wechselausstellung sozusagen. Weitere Bilder entstehen, die Kunstwerke wachsen.
Ein besonderes Projekt
Auch ein weiteres, ganz besonderes Projekt entstand durch Zufall. Nach der Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal in Rheinland-Pfalz in Deutschland stiess Therese Lanter auf Videos aus dem Katastrophengebiet. Der Landwirt Markus Wipperfürth wollte damit über das dortige Geschehen, von dem auch viele Weinanbaugebiete betroffen waren, berichten und gleichzeitig Menschen zum Helfen auffordern. Jeder könne helfen, so sein Credo, man dürfe auch kreativ sein. Lanter spann die Verbindung vom Weinanbaugebiet zu Bild 5Korken und kam auf die Idee ein Korkbild von dem Landwirt zu machen, der ihr die Augen für das Leiden der Region geöffnet hatte. Gesagt – getan. Es entstand das 2,22 mal 1,58 Meter grosse Korkbild, in dem 7104 Korken verarbeitet wurden (sortiert aus etwa 80000 Korken). Die Idee dahinter: Menschen können eine Korkpatenschaft gegen Geld erwerben und der Erlös kommt den Opfern der Flutkatastrophe zugute. Dahinter steckte allerdings eine Heidenarbeit. Letztlich verkaufte sie 162 Korkenpatenschaften mit einem Erlös von rund 4400 Euro. Die Aktion ist mittlerweile beendet, weil Therese Lanter die damit verbundene Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiterführen kann. Weiterhin ist in einer Buchhandlung in Frick das Buch des Landwirts Markus Wipperfürth erhältlich, der mit einem Bildband und darin enthaltenen QR-Codes zu den Videos die Katastrophe im Ahrtal dokumentierte. Auch hier geht ein Teil des Erlöses an die Opfer.

Nach wie vor ist Therese Lanter gesundheitlich eingeschränkt. Sie ist häufig müde, schläft viel und arbeitet an ihren Kunstwerken nur wenn es ihr gut geht. Eine professionelle Vermarktung ihrer Kunst ist ihr auch deshalb kaum möglich. Momentan arbeitet sie an einer neuen Technik, Korkbilder in kleinerem Format zu kreieren. «Hin und wieder eins davon zu verkaufen, das wäre schön.» verrät Therese Lanter. Weitere Infos unter:
www.designambach.ch

Bild: Therese Lanter hat Schubladen voll mit Kaffeekapseln, alle nach Farbe geordnet
Bild 2: Therese Lanter hat eine enorme Sammlung an Korken
Bild 3: Das Garagentor ziert ein altes Postauto aus Kaffeekapseln
Bild 4: Die Bilder aus Kaffeekapseln nennt Therese Lanter Pixelbilder
Fotos (ausser Bild 5): Andrea Worthmann
Bild 5: Mit diesem Korkbild sammelte Therese Lanter Geld für das Ahrtal in Deutschland. Foto: zVg