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Wie ein Gutschein Fabians Leben verändert: Zweijährige Pilotphase zur Subjektfinanzierung im Behindertenbereich

(pd) Menschen wie die fiktive Person Fabian könnten zu den ersten im Kanton Aargau gehören, die von einem Pilotprojekt profitieren, das erwachsenen Menschen mit Beeinträchtigungen mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung ermöglicht. Seine erfundene Geschichte zeigt, wie Menschen trotz Behinderung Schritt für Schritt mehr Unabhängigkeit in ihrem Alltag erlangen können.

Fabian sitzt an seinem Küchentisch in seiner Wohnung, vor ihm liegt ein Wochenplaner, den er selbst führt: Termine, Einkaufslisten, Menüs oder Waschplan, alles ist sorgfältig eingetragen. Der 32-Jährige lebt in einem mittelgrossen Dorf im Kanton Aargau und hat eine kognitive Beeinträchtigung. Vor kurzem noch bedeutete dies, bei den Eltern oder in einer Betreuungseinrichtung wohnen zu müssen. Doch der Wunsch, in einer eigenen Wohnung zu leben, wurde dank des bereits bestehenden Angebots zur Unterstützung des selbstständigen Wohnens im Kanton Aargau und einem Pilotprojekt zur Subjektfinanzierung nun Realität.

Ein Gutschein für mehr Selbstbestimmung
Das Projekt «Subjektfinanzierung» läuft derzeit in einer zweijährigen Pilotphase im Kanton Aargau. Im Fokus stehen dabei ambulante Unterstützungs- und Begleitleistungen. Anstelle von direkten Finanzierungen für Einrichtungen der Behindertenhilfe erhalten erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen Gutscheine vom Kanton. Dank diesen Gutscheinen können die betroffenen Personen selbst entscheiden, bei welchen anerkannten Anbietern sie die benötigte Unterstützungsleistung in Anspruch nehmen wollen.
«Mit der Subjektfinanzierung finanzieren wir die Menschen direkt. Die Betroffenen können selbst bestimmen, wer sie wie betreuen und unterstützen soll», sagt Peter Walther-Müller, Leiter der zuständigen Abteilung Sonderschulung, Heime und Werkstätten (SHW) im Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS). Der Kanton hat seit dem Start des Projekts die Zahl der anerkannten Anbieter für das autonome Wohnen im Kanton erhöht. Dadurch haben Menschen wie Fabian jetzt eine grössere Auswahlmöglichkeit. Gleichzeitig sind die Anbieter dadurch motiviert, ihre Leistungen noch individueller anzupassen. Das Pilotprojekt umfasst nicht nur die Unterstützung des selbstständigen Wohnens, sondern auch die Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigungen im ersten Arbeitsmarkt. Beide Leistungen wurden im Jahr 2022 im Rahmen der Gesetzesrevision für «ambulant und stationär» eingeführt.

Unterstützungsbedarf ermitteln: Die Rolle der Abklärungsstelle
Ein erster wichtiger Schritt für die Selbstständigkeit ist die individuelle Abklärung des Unterstützungsbedarfs. Mit Begleitung einer Vertrauensperson oder der Beratungsstelle von Pro Infirmis ermitteln Fachpersonen der unabhängigen Abklärungsstelle, in welchen Bereichen Personen wie Fabian bereits selbstständig sind. Anschliessend wird gemeinsam bemessen, wo Unterstützung benötigt wird. Im Fall von Fabian wurde folgendes erhoben: Durchschnittlich drei Stunden Betreuung pro Woche für die Organisation des Haushalts und die Strukturierung des Alltags reichen aus, um den Weg in ein möglichst selbstständiges Leben zu ebnen.
Die erste Herausforderung im Beispiel von Fabian bestand darin, eine Wohnung zu finden. Ein Mitarbeiter eines anerkannten Anbieters unterstützte ihn hierbei. Es handelte sich um einen Anbieter, den Fabian bereits aus einem Ferienprogramm kannte. Fabian löste seinen Gutschein ein und erhält seitdem die notwendige Anleitung und Beratung durch Fachpersonal und Assistenzpersonen. Fabian war anfangs ziemlich unsicher. Für ihn war es ein grosser Schritt, alleine zu wohnen, aber er stellte schnell fest, dass er Unterstützung bekam, wenn er sie brauchte. Und so fühlte er sich auch nicht alleine.

Ein Alltag, der Vertrauen schafft
Mittlerweile organisiert Fabian seinen Wochenplan eigenständig, geht einkaufen und erledigt immer mehr Aufgaben selbstständig, einschliesslich kleinerer administrativer Tätigkeiten. Das gibt ihm die Gewissheit, etwas selbst geschafft zu haben, und stärkt damit sein Selbstvertrauen. Fabian hat zum ersten Mal das Gefühl, selbst die Kontrolle über sein Leben zu haben. Allerdings benötigt er bei der Pflege seiner sozialen Kontakte noch Unterstützung. Besondere Freude bereiten ihm die Gespräche mit seinen Nachbarn oder ein Spaziergang mit «Buddy», dem Hund seiner neuen Nachbarin.

Ein Modell für die Zukunft?
Das Modell der Subjektfinanzierung gibt Fabian nicht nur mehr Wahlfreiheit, sondern auch die Möglichkeit, weitgehend selbst über sein Leben zu bestimmen. Diese Erfahrung wird er künftig mit vielen anderen Menschen teilen können, die von diesem neuen System profitieren. Das Beispiel der fiktiven Person Fabian zeigt, wie kleine Veränderungen im System der kantonalen Behindertenhilfe grosse Auswirkungen auf das Leben von Einzelnen haben können. Für Fabian bedeutet dies nicht nur eine eigene Wohnung, sondern vor allem ein neues Selbstbewusstsein und Lebensgefühl. Für ihn steht fest: Dieser Gutschein hat sein Leben verändert.

Pilotprojekt Subjektfinanzierung
Das Projekt «Subjektfinanzierung in der Behindertenhilfe» verfolgt das Ziel, im Bereich der Unterstützungs- und Begleitleistungen für erwachsene Menschen mit Behinderungen (Behindertenhilfe) ein verändertes Steuerungs- und Finanzierungsmodell einzuführen. So können Betroffene selbst bestimmen, bei welchen Anbietern sie die benötigten Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Um die Praxistauglichkeit des Modells der Subjektfinanzierung zu prüfen, wird zunächst ein Pilotprojekt durchgeführt. Da das Pilotprojekt in Teilen von geltenden kantonalen Bestimmungen abweicht, wurde eine befristete Verordnung über das Pilotprojekt zur Subjektfinanzierung von Leistungen für Menschen mit Behinderungen (VSMB) nach § 22a des Gesetzes über die Einrichtungen für Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen erlassen und per 1.1.2025 in Kraft gesetzt. Nach Abschluss der Pilotphase sollen basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen die Grundlagen für eine flächendeckende Einführung der Subjektfinanzierung geschaffen werden.